Wie kam es zu
Chinela de Laurin?


Die Sage von Laurin
Südlich von Bozen, vom Etschtal bis zum Schlern, erstreckt sich das Reich des Zwergenkönigs Laurin. Tief im Erdinnern in einer kristallenen Burg hat der König seinen Sitz. Tausende von Zwergen sind ihm untertan, die für ihren Herrn unermessliche Schätze an Gold, Silber und Edelsteinen aus dem Felsen graben und seine Schatzkammern mit köstlichem Schmuck füllen. Oben aber, im Licht der Sonne inmitten steinernen Felsengewirrs, hat sich der König einen herrlichen Garten angelegt, in dem viele prächtige Bäume, blühende Sträucher, wundersame Blumen und duftende Rosen, Rosen ohne Zahl, Auge und Herz erfreuen. Dieser herrliche Zaubergarten ist nur mit goldenen Fäden umzäunt; jeder, der vorbeikommt, kann den Anblick geniessen, doch niemand darf es wagen, den goldenen Faden zu zerreissen oder ohne Erlaubnis des Königs den Wundergarten zu betreten: es wäre sein Tod.
Einst ritt Herr Dietrich von Bern mit seinen Kameraden, dem alten Meister Hildebrand und den jungen Helden Wolfhart, Wolfbrand, Wittich und Dietleib, von seiner Residenz Bern nach Norden, um den Zaubergarten des Zwergenkönigs aufzusuchen. Herr Dietrich wollte den Zwerg für seine Untaten bestrafen, obwohl Meister Hildebrand seine warnende Stimme erhob und seinen Herrn bat, sich vor der übermenschlichen Kraft des Zwergenkönigs zu hüten.
Lange Zeit ritten die Kameraden dahin, vorbei an schrecklichen Abgründen, über nacktes Felsgeröll, überquerten tosende Gebirgsbäche, fanden sich in trostloser, schweigender Einöde und wollten schon die Hoffnung aufgeben, den vielgerühmten Zaubergarten aufzufinden, als sich ihnen mit einemmal hinter einer Felswand ein blühendes Wunderland auftat. Süsser Rosenduft hüllte sie ein, liebliche Vogelstimmen erklangen, und freudig stiegen sie von den Pferden, um sich, müde vom weiten Ritt, in das weiche Gras zu werfen. Doch nicht lange hielten sie Rast der Zwerg sollte seine Strafe haben. Sie begannen den Garten zu verwüsten, zerstampften das Gras, zertraten die Blumen, köpften die Rosen und taten Schaden, wo sie konnten.
Plötzlich rief der Ritter Wittich: »Ihr Herren, seht dorthin! Da kommt jemand geritten, strahlend gewappnet unter einem Baldachin, das mag wohl der Herr dieses Gartens sein!«
Herr Wolfbrand aber meinte: »Freunde, ich rate euch, bindet eure Helme fester: wer weiss, was der Reiter im Schilde führt!«
Es war wirklich König Laurin, der zornig heranritt, den Frevel zu bestrafen. Ein goldener Helm schirmte seinen Kopf, helles Leuchten ging von einem glänzenden Karfunkelstein aus, der den Helm schmückte. Seine Brünne leuchteten von Edelsteinen, ein elfenbeinerner Schild, mit goldenen Zieraten durchwirkt und mit blitzenden Steinen geschmückt, glitzerte im Sonnenlicht An seiner Seite hing in goldener Scheide ein Schwert, an dessen Knauf ein heller Diamant erstrahlte. Drei Dinge hatte der König bei sich, aus denen seine Kraft floss: einen Ring, der ihm Zwölfmännerstärke verlieh, einen Gürtel, der Zauberkraft besass, und eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar machen konnte.
Zornig ritt der Zwergenkönig an die unerwünschten Gäste heran und tobte: »Was treibt ihr hier, ihr Narren, wer hat euch hergebeten? Wer hiess euch meinen Garten verwüsten? Wisst ihr, dass ihr euer Leben verwirkt habt? Ihr sollt mir sehr danken, wenn ich mich mit geringer Busse zufriedengebe!«
Doch höhnisch entgegnete Dietrich von Bern: »Was willst du denn noch alles von uns, du kleiner Wicht? Deine Rosen werden wieder nachwachsen, an eine Busse denken wir nicht.«
Schnell zog Wittich sein Schwert, um auf den zornigen Zwerg einzuschlagen. Der aber streckte den Helden mit einem Speerstoss zu Boden, sprang vom Pferd und griff nach dem Schwert, um sich seine Busse zu nehmen. Rasch eilte Dietrich von Bern dem Bedrohten zu Hilfe, und es entspann sich ein harter Kampf. Schon schien es, als wurde Laurin den Helden niederringen, da rief Meister Hildebrand:
»Er hat einen Ring am Finger, der ihm Zwöllmännerkräfte gibt; den musst du ihm entwinden.« Da schlug Dietrich seinem Gegner den Ring samt dem Finger ab, dass Laurin einen Zornesschrei ausstiess. Trotzdem drang er neuerlich auf Dietrich ein und versetzte ihm einen so wuchtigen Hieb, dass der Held halb betäubt ins Gras sank.
Wieder rief Hildebrand: »Er hat noch den Zaubergürtel, der ihm Kraft verleiht; entreisse ihm den Gürtel, dann hat der Streit ein Ende!«
Herr Dietrich raffte sich auf, der Zorn verdoppelte seine Kräfte. Er fasste nach dem Gürtel und riss so stark daran, dass das Zauberding entzweibrach und zu Boden
fiel. Doch Laurin griff in seine Tasche nach der Tarnkappe, setzte sie rasch auf und war für seinen Gegner unsichtbar. Herr Dietrich schien verloren. Der Zwerg hieb und stach auf ihn ein, und bald war der Held von Wunden bedeckt.
Wieder war es Meister Hildebrand, der Rat in höchster Not wusste. »Ringe mit ihm«, rief er seinem Herrn zu, »und suche dabei die Tarnkappe zu erlangen; dann kann er sich nicht mehr verbergen, und der Kampf muss zu Ende sein!«
Herr Dietrich griff nach dem Zwerg, erwischte ihn, und sie kämpften gewaltig, bis der Held die Tarnkappe in seinen Händen hatte und weit von sich ins Gras warf. Nun bat König Laurin: »Schone mich, ich will mich dir ergeben!«
Aber Dietrich von Bern war allzusehr böse. »Nein«, wütete er, »nichts soll jetzt mehr dein Leben retten, elender Zwerg!«
Da rief Laurin in hellen Nöten: »Dietleib, edler Held, hilf mir, ich will dir dafür deine Schwester Kühnhild ausliefern, die ich auf meinem Gebiet angetroffen habe und die bei mir als Gefangene lebt.«
Als Dietleib das hörte, bat er den Berner: »Herr, schont ihn, damit ich erfahre, wie es um meine Schwester steht!«
»Nein«, zürnte Herr Dietrich, »es ist um sein Leben geschehen.«
Da griff Dietleib wütend zum Schwert, und es wäre zum Kampf zwischen den beiden Helden gekommen, wenn sich nicht Hildebrand mit den anderen Rittern dazwischen geworfen und die erregten Gemüter besänftigt hätte.
Als Gefangener musste König Laurin nun zwischen den Rittern reiten und ihnen den Weg zur Jungfrau Kühnhild zeigen. Meister Hildebrand aber riet seinen Kameraden, vorsichtig zu sein; denn der Zwergenkönig sei hinterlistig, man dürfe auf seine Worte nicht vertrauen.
Sie ritten die ganze Nacht und kamen gegen Morgen auf einen grünen Anger, von wo der Eingang ins Erdinnere führte. Davor standen und sassen Zwerge, musizierten, tanzten und trieben allerlei Spiele. Der Kleine führte seine Begleiter in den Berg hinein, wo es von hellstem Lichterglanz erstrahlte. Schon trat die schöne Kühnhild den Fremden entgegen. Wie gross war ihre Freude, als sie unter ihnen ihren Bruder erkannte! Flehentlich bat sie ihn, sie aus dem Reich der Zwerge fortzuführen. Und der Bruder versprach ihr gern, dies mit Hilfe seiner Genossen zu vollführen.
König Laurin aber redete zu den Rittern: »Ihr edlen Herren, geruht nun, euch zu Tisch zu setzen und an Speisen und Trank zu erfreuen.«
Man brachte köstliche Speisen, servierte herrliche Getränke, und die Herren langten nach dem mühevollen Ritt ordentlich zu. Laurin hatte einen betäubenden Schlaftrunk unter den Wein mischen lassen, und es dauerte nicht lange, so sank einer nach dem anderen der durstigen Helden in schweren Schlaf. Darauf hatte König Laurin gewartet. Schnell rief er seine Männer, liess den Helden die Harnische ausziehen und warf sie als seine Gefangenen in den Turm, der mit gewaltigen Felstrümmern als Türen gesichert war.
Vergebens flehte Jungfrau Kühnhild den König um Erbarmen an; Laurin wollte das Blut seiner Gefangenen, keine noch so rührende Bitte vermochte seinen Starrsinn zu erweichen.
Eines Tages lag der König in tiefem Schlaf. Da eilte Kühnhild durch alle Gemächer der Burg, um den Aufenthalt der Gefangenen zu erkunden. Als sie ihr Ohr auch an den Luftschacht des Turmes legte, hörte sie tief unten die Stimmen der Helden. Freudig rief sie hinunter: »Ihr Herren, seid fröhlich; ich werde euch retten!« Eilig holte sie die Harnische und Schwerter der Ritter, gab auch sechs Ringlein dazu und band alles an ein Seil, das sie in die Tiefe hinunterliess. »Die Ringe steckt an die Finger«, befahl sie den Gefangenen, »dann werden sich alle Türen vor euch auftun.«
Die Helden taten es und sahen bald alle Türen offenstehen. Fröhlich traten sie aus ihrem Kerker und dankten der wagemutigen Kühnhild. Sie bestiegen ihre Pferde, um das Königreich des treulosen Zwergenkönigs zu verlassen. Währenddessen war Laurin aus seinem Schlummer erwacht, hörte das Rasseln der Harnische und ahnte Gefahr. Sogleich liess er sein Horn ertönen, das seine Zwerge zusammenrief.
»Ihr Herren«, mahnte Meister Hildebrand, »steckt Kühnhllds Ringe an euere Finger, sonst seht ihr keinen von den Zwergen, sie stecken alle unter Tarnkappen!«
Geschwind folgten die Helden dem Rate des Alten. Nun hob ein Kampf der sechs Helden gegen die Übermacht des kleinen Volkes an, dass der Fels sich rötete vom Blut der geschlagenen Wunden. Herrn Dietleib drängten die Zwerge zu einem Tisch und rückten ihm hart zu Leibe. Er aber zertrat sie mit den Füssen.
Wolfhart geriet bei einem hohen Turm im Berg in grosse Not. Da riss er den Turm um, dass an zweihundert Zwergen die Flucht ergriffen.
Herr Dietrich von Bern schlug mit Wucht um sich und streckte zahlreiche Feinde nieder. Aber immer neue Scharen drangen gegen ihn heran, schon floss ihm das Blut aus vielen Wunden. Da packte den Helden die Wut; wie heisses Feuer lohte der Atem aus seinem Mund und verbrannte die Angreifer, dass sie schaudernd zurückwichen.
An ein Tor gelehnt, wehrte Meister Hildebrand den Ansturm der Zwerge ab. Das Tor war aus Eisen und so breit und schwer, dass keines Menschen Hand es vom Fleck rühren konnte. Er aber hob es aus den Angeln und warf es auf die Zwerge, dass Hunderte von ihnen davon erdrückt wurden.
Tapfer kämpfte der Held Wittich. In einer Ecke, den Rücken gedeckt, schwang er sein Schwert und liess dazwischen seinen schweren Schild niedersausen; mancher Gegner musste hier sein Leben lassen.
Der kühne Wolfbrand aber schlug aus einer Steinwand gewaltige Felsbrocken und warf damit viele von dem vorstürmenden Zwergenvolk zu Tode.
In dieser Schlacht verlor König Laurin viele seiner Untertanen. Wutentbrannt stiess der König in sein Horn und berief damit sechs gewaltige Riesen aus dem Wald, die nun mit langen stählernen Stangen die Helden niederrangen. Ein furchtbarer Kampf entstand, Schilde und Panzer zersplitterten, Helme wurden eingeschlagen, aus tiefen Wunden floss das Blut, bis Held Dietlieb einem der Riesen mit mächtigem Hieb durch den Helm schlug, dass der Riese erlag. Herr Dietrich erschlug den nächsten, und so wurden alle sechs Riesen erschlagen.
Nun wandte sich der Zorn der edlen Ritter gegen König Laurin; sie wollten Rache nehmen für seine Treulosigkeit. Doch die edle Jungfrau Kühnhild bat für den König, der sich milde gegen sie erwiesen hatte; sie schonten daher sein Leben, aber er musste ihnen seine Schatzkammer öffnen, der sie gewaltige Schätze entnahmen.
Reich beladen kehrten die Helden mit der Jungfrau nach Bern zurück; traurig blickte ihnen der Zwergenkönig nach; ihm war leid um den Verlust Kühnhilds, die er liebgewonnen hatte. Später kam Laurin freiwillig nach Bern und schloss Frieden mit dem Helden Dietrich, der von nun an in Freundschaft mit dem kleinen Mann lebte.
Noch heute gleicht die Gegend um Bozen, wo König Laurin sein oberirdisches Reich hatte, einem Rosengarten, und ein Teil dieses wilden Felsgebirges führt auch den Namen »der Rosengarten«. Des Abends, wenn die Sonne ihre Strahlen sendet, leuchtet der Fels blutrot, weithin bis ins Tal des Inn sichtbar. Der Harnisch König Laurins wurde bis ins späte Mittelalter im Schloss Tirol verwahrt und war leider eines Tages spurlos verschwunden.
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